Diesem Buch ist anzumerken, dass die Autorin aus einem reichen Fundus an praktischer Erfahrung schöpft. Das wird deutlich schon am Seitenumfang, den die drei Bereiche, in die sich das Buch gliedert, einnehmen:

 

  • Selbsterfahrung mit rund 40 Seiten

  • Theorie mit 80 Seiten und

  • der Praxisteil mit über 100 Seiten!

Damit ist dem Buch eine Struktur gegeben, die organisch aufeinander aufbaut und der Begleitung trauernder Kinder in ihrer Komplexität gerecht wird. Die Autorin nähert sich der anspruchsvollen Aufgabe und der Herausforderung, Kindern in ihrer Trauer nah zu sein und sie zu unterstützen, von drei Seiten:

 

Im ersten Teil des Buches, “Selbsterfahrung”, macht Margit Franz anhand vieler Beispiele für die Beschäftigung mit dem Thema im Kindergartenteam deutlich, dass Erzieherinnen gerade in der Auseinandersetzung mit dem Tod ihren professionellen Standort nur finden, wenn sie zuvor ihren persönlichen Standort entwickelt haben. Sie gibt den Lesern ein anschauliches Bild für diese Aussage, die eine bestätigte Erfahrung ist: Unbewältigte Trauererlebnisse werden wie in einem “unsichtbaren Rucksack” durch das Leben getragen. Wenn zudem krisenfreie Zeiten nicht oder nur unzureichend genutzt werden, um sich und Kinder auf mögliche Schicksalsschläge vorzubereiten, mangelt es im “Rucksack” an lebensnotwendigem Proviant ...

 

Der zweite Teil ist dem notwendigen theoretischen Hintergrundwissen gewidmet, wie zum Beispiel: Wie Kinder den Tod in unserer Gesellschaft erleben und das Todeskonzept des Kindes in den unterschiedlichen Entwicklungsstufen. Dass auch ein Theorie-Teil (mit dem ja oft die Grau-ist-alle-Theorie-Assoziation verbunden ist) anregend und lebendig beschrieben werden kann, liegt an dem Sinn für Wortspielereien der Autorin. Überzeugend und folgerichtig u.a. ihre Feststellung: Wir leben in einer Zeit der “Entsorgungsmentalität”: Was Sorgen macht, wird schnell entsorgt. Auf Kinder wirkt dies zwangsläufig so, als ob in unserer Gesellschaft niemand mehr alt, krank oder gebrechlich wird und stirbt.

 

Margit Franz beschreibt die Ent-Bindung von der Mutter als ersten großen Abschied, den ein Kind erlebt und weist - nicht nur in diesem Zusammenhang – darauf hin, was Kinder benötigen, um nach Verlust und Abschied neue Verbindungen eingehen zu können. Im dritten Teil geht es darum, die gesammelten und reflektierten Kenntnisse und Erfahrungen der beiden vorangegangenen Kapitel in die Praxis umzusetzen. Dieser praktische Teil ist das “Herzstück” des Buches und bringt einen reichen Schatz an Anregungen zur Projektarbeit im Umgang mit Abschied, Verlust und Tod in Kindertagesstätten. Erzieherinnen finden einen “reich gedeckten Tisch” vor – reich an konkreten Spielsituationen, an Literaturangaben, an Lied- und Materialhinweisen. Laden Sie Ihre Schützlinge ein an die “Tafel des Lebens”, an der auch – weil untrennbar miteinander verbunden – Sterben, Tod und Trauer Gäste sind und ihren Platz haben dürfen!

 

Zwar ist das Werk als Handbuch für Erzieherinnen konzipiert; ich wünsche ihm allerdings über diese Zielgruppe hinaus viele Leser – Menschen, die mit Kindern leben und arbeiten: Eltern, Lehrer, Therapeuten, Gemeindepfarrer, Diakone und Trauerbegleiter.

 

Und nicht zuletzt: Das Buch ist ein haptisches Erlebnis – es liegt gut in der Hand, ist schön in Form, Farbe und Ausstattung. Kompliment an den Verlag!

 

Anja Wiese, hauptamtliche Mitarbeiterin bei „Verwaiste Eltern Hamburg e.V.“, veröffentlicht in „TPS“ (Theorie und Praxis der Sozialpädagogik) 07-2003


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© Margit Franz, Darmstadt